Empathy Maps im Unterricht: So stärkst du Empathie und Verbindung in deiner Klasse
- annemareikemoeller
- 2. Mai
- 7 Min. Lesezeit
Stell dir vor, du bekommst einen Blick hinter die Kulissen deiner Klasse. Du siehst, was deine Schüler:innen denken, was sie zum Lernen brauchen und, was sie stresst - nicht in einem aufwändigen Gespräch, sondern in wenigen Worten auf einem Blatt Papier.
Empathy Maps sind genau das: Ein Tool, das dir hilft, deine Klasse besser zu verstehen und, dass deinen Schüler:innenn hilft eine empathische Klassengemeinschaft zu gestalten.

In diesem Beitrag zeige ich dir, wie du Empathy Maps sinnvoll im Unterricht einsetzen kannst, was du dabei beachten solltest und, warum sie ein Türöffner sein können für eine nachhaltige Veränderung eurer Klassendynamik.
1 Was sind Empathy Maps?
Empathy Maps sind einfache Visualisierungen, die dabei helfen, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer hineinzuversetzen. Sie stammen ursprünglich aus dem Design Thinking - einer kreativen Methode, bei der Produkte oder Prozesse aus der Sicht von Nutzer:innen gedacht werden. Dabei geht es darum, sich möglichst konkret in die Gedanken- und Gefühlswelt einer anderen Person hineinzuversetzen. Man stellt sich Fragen wie: Was denkt die Person? Was fühlt die Person? Was sagt die Person? Was tut die Person?
Übertragen auf den Schulkontext helfen Empathy Maps, die Perspektive der Schüler:innen einzunehmen, die ja quasi die Nutzer:innen unserer Lernangebote sind. Sie dienen als wirkungsvolles Werkzeug, um Schüler:innen und ihr Verhalten besser zu verstehen. Sie helfen Lehrkräften und Peers, über das bloße Verhalten hinauszublicken und ein tieferes gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Das Reflektieren der eigenen Bedürfnisse, emotional-sozialen Stärken und Potentiale kann zudem die Empathie für sich selbst stärken.

Ob zur Selbstreflexion (Was brauche ich, um gut lernen zu können?, Was gibt mir Sicherheit?)
zur Stärkung der Klassengemeinschaft (Wer braucht was?, Wie können wir uns gegenseitig unterstützen?)
oder zur Gestaltung eines sicheren Umfelds als Lehrkraft (Was brauchen meine Schüler:innen, Wie kann ich sie bestmöglich unterstützen?) -
Empathy Maps öffnen Raum für Perspektivwechsel und stärken Beziehungen zu anderen und zu uns selbst.
2 Was sind die Vorteile von Empathy Maps
Der Schulalltag ist meist schnelllebig, laut und vollgepackt - es bleibt viel zu wenig Zeit für echte Gespräche mit jedem einzelnen. Gleichzeitig stehen Lehrkräfte täglich vor der Herausforderung, Beziehungen aufzuabuen, Verhalten zu deuten, auf (starke) Emotionen zu reagieren und gelingende Beziehungen zu stärken. Genau hier setzen Empathy Maps an: Sie eröffnen mit wenig Aufwand tiefere Einblicke in die Lebenswelt von Schüler:innen, ihre Bedürfnisse, Stärken und Potentiale und schaffen damit die Basis für einen beziehungsorientierten Unterricht und eine beziehungsstarke Schule.
Empathy Maps fördern nicht nur das Verständnis für einzelne Kinder, sondern auch einen Einblick in die Stimmungslage einer ganzen Klasse:
Welche Gefühle, Ängste oder Bedürfnisse sind gerade präsent?
Welche Stimmen werden überhört?
Welche Stärken und Potentiale sehen die Schüler:innen?
Wie können wir uns alle gegenseitig unterstützen?
Indem wir solche Fragen sichtbar machen, entwickeln sich echte Räume für Verbindung, für Gesehenwerden und ein Gefühl von Sicherheit. Schüler:innen können mehr über sich selbst erfahren, indem sie ihre Bedürfnisse reflektieren und bei der Unterstützung anderer als selbstwirksam erleben. Außerdem lernen sie, sich in die Perspektive von anderen einzufühlen, was wiederum ihre emotionale Entwicklung stärkt. Zudem haben sie die Chance, empathisch mit sich zu sein, indem sie bspw. anerkennen, was ihnen im sozialen Miteinander oder beim Regulieren ihrer Emotionen noch schwer fällt.
3 So funktioniert's: Fragen und Einsatzideen im Unterricht
Empathy Maps lassen sich vielseitig gestalten, meist bündeln sie Fragen über sich selbst, die dann auf verschiedene Art und Weise genutzt werden können. Entweder, um sich selbst zu reflektieren oder auch um mit anderen ins Gespräch zu kommen. Welche Fragen dabei verwendet werden, kann je nach Anlass und Situation, Altersstufe entschieden werden.

Insgesamt liegt der Fokus der Fragen auf dem Miteinander. Schüler:innen können reflektieren, was ihnen noch schwer fällt zum Beispiel beim Umgang mit Emotionen und wie du und ihre Mitschüler:innen bei der Emotionsregulation unterstützen können.
Hier findest du eine Liste mit möglichen Fragen bzw. zu ergänzenden Aussagen:
Was brauche ich, um gut zu lernen?
Wobei blühe ich auf? Was interessiert mich besonders?
Was sind meine Stärken im Umgang mit anderen?
Was fällt mir im Miteinander noch schwer?
Wenn meine Emotionen überkochen, hilft mir..
Wenn ich gestresst bin, wünsche ich mir von dir...
Das brauche ich, um mich sicher zu fühlen..
Das macht mir Angst, Sorge...
Das macht mich wütend...
Das macht mich traurig...
Hier komme ich zur Ruhe...
Das hilft mir, um zur Ruhe zu kommen...
Das bewegt mich gerade sehr...
CheckIns und Selbstreguliertes Lernen
Du kannst Empathy Maps einsetzen, damit deine Schüler:innen am Beginn einer Stunde oder eine neuen Schulwoche ankommen können und sich entspannt einchecken können. Hier geht es darum, dass sie ein besseres Gespür für sich selbst bekommen und sich bspw. fragen: "Was brauche ich heute zum Lernen?", "Wie bin ich gerade hier?". Auch im Rahmen des selbstregulierten Lernens sind diese CheckIns essenziell, um die eigenen Ziele und Strategien, die wir wählen auf unsere Stimmung und Motivation anzupassen oder uns ggf. zu regulieren, wenn nötig.
Deine Schüler:innen besser verstehen
Gerade, wenn du eine neue Klasse bekommst, kann es sinnvoll sein, alle Schüler:innen Empathy Maps ausfüllen zu lassen, um sie besser kennen zu lernen und leichter auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen zu können. Neben den oben genannten Fragen kannst du Fragen ergänzen wie "Mit welchem Pronomen möchtest du angesprochen werden?", "Gibt es etwas, das du gern mit mir teilen möchtest?".
Auch, wenn Schüler:innen herausforderndes Verhalten zeigen oder sich anders verhalten als sonst, können Empathy Maps hilfreich sein. Wenn es zu Gesprächen über das Verhalten kommt, können dann im Beratungsteam oder auch mit dem Kind zusammen ausgefüllt werden.
Die Klassengemeinschaft stärken

Um eine die Gemeinschaft in deiner Klasse zu stärken, kannst du Klassenleitungsstunden oder Vertretungsstunden nutzen, um mit deiner Klassen Empathy Maps zu erstellen. Nachdem alle ihre Map ausgefüllt haben, könnt ihr euch in Paaren zusammenfinden und darüber sprechen. Alternativ könnt ihr die Bögen auch anonym ausfüllen und Gemeinsamkeiten finden. Wenn ein gutes und respektvolles Klassenklima herrscht, könnt ihr auch einen Empathy Tree gemeinsam basteln, den ihr nutzt, um all eure Empathy Maps zu bündeln. Diesen könnt ihr regelmäßig erneuern, denn Bedürfnisse können sich ändern.
Übergänge und sensible Phasen gestalten
Beim Verlust von Menschen aus dem nahen Umfeld der Klasse, wenn schwerwiegende Veränderungen eintreten (z.B. die Krankheit eines Mitschülers oder Mitschülerin), können Empathy Maps helfen, um gemeinsam zu überlegen: "Was brauchen wir alle, um gut mit der Situation umzugehen oder uns sicher zu fühlen?". Auch, wenn Klassen neu gemischt werden oder Kurse gebildet werden, können Empathy Maps eine hilfreiche Unterstützung sein, um diesen Übergang zu gestalten.
Empathy Maps im Kollegium
Auch im Kollegium lässt sich das Tool nutzen, z.B. indem ihr einen Empathy Tree im Lehrkräftezimmer entstehen lasst. Antworten auf die Fragen: "Das brauche ich, um mich sicher/gestärkt zu fühlen", "So kannst du mich unterstützen, wenn ich im Megastress bin", "Damit kannst du mir eine kleine Freude machen", "Diese Aufgabe übernehme ich gern, weil es mir Freude macht, auch wenn andere sie nervig finden" können Türöffner sein für ein tieferes Verständnis, eine gestärkte Teamkultur und ein Klima der gegenseitigen Unterstützung - selbst in Zeiten der sehr knappen Ressourcen. Außerdem können Empathy Maps in Klassenkonferenzen genutzt werden, um sich in bestimmte Schüler:innen hineinzufühlen und den Bedürfnissen der Schüler:innen besser zu verstehen.
Wenn wir davon ausgehen, dass jedes Verhalten einen guten Grund hat, helfen Empathy Maps Verhalten nicht zu bewerten, sondern öffnen Wege zum Verständnis, die im nächsten Schritt dazu beitragen, gemeinsam Lösungen und Strategien zu finden, Verhaltensänderungen anzustoßen.
4 Tipps für eine gelingende Umsetzung
Damit Empathy Maps im schulischen Alltag wirklich wirksam werden, kommt es vor allem auf die Haltung an. Hier teile ich ein paar Tipps, die helfen, das Tool einfühlsam einzusetzen.
Sicherer Rahmen vor Inhalt: Schaffe einen geschützten Raum - sei es durch klare Regeln, einen klaren Zeitrahmen oder gewählte Gruppen, von denen du weißt, dass sie respektvoll miteinander umgehen.
Freiwilligkeit fördern: Empathie lässt sich nicht erzwingen. Biete die Übungen als Einladung an. Stelle den Schüler:innen frei sie zu teilen und mache ihnen auch bewusst, dass sie nicht alle Fragen beantworten müssen. Anonyme Varianten, die dazu dienen, die Bedürfnisse der Klasse aufzunehmen oder das Ausfüllen in Partnerarbeit kann den Einstieg erleichtern.
Regelmäßigkeit und Integration: Empathy Maps entfalten ihre Wirkung besonders dann, wenn sie nicht als einmalige Aktion genutzt werden, sondern ein Teil eines empathischen Schulalltags: z.B. wöchentlich als CheckIn, monatlich oder situativ bei Veränderungen. Außerdem können sie mit bestehenden Formaten verknüpft werden, um sie nachhaltig zu integrieren z.B. bei Projektwochen, im Klassenrat oder bei pädagogischen Konferenzen
Entwicklungsgerecht anpassen: Du kannst Empathy Maps an das Alter deiner Schüler:innen anpassen, sowohl was die visuelle Gestaltung, als auch die Auswahl, Menge und Formulierung der Fragen betrifft. Unten findest du Beispiele für verschiedene Entwicklungsstufen. Schüler:innen, die noch über wenig Selbstreflexion verfügen, können vom generellen Angebot, dass du gern auch beim Ausfüllen unterstützt, profitieren.
Nahbarkeit als Role Model: Besonders soziales Lernen funktioniert durch Beobachtung. Es wäre also eine super Idee, auch als Lehrkraft eine Empathy Map auszufüllen. Wenn wir Lehrkräfte uns verletzlich zeigen und über eigene Stärken und Struggles sprechen, kann das einen entscheidenden Unterschied machen. Wenn Lehrkräfte offen über Dinge sprechen, die ihnen schwer fallen, die sie nicht optimal hinbekommen haben und sich später selbstmitfühlend darüber äußern, können Schüler:innen nicht nur Empathie, sondern auch Selbstempathie lernen - zwei der Stärksten Schutzfaktoren für mentale Gesundheit!
5 Zusammenfassung
Empathy Maps sind eine gute Möglichkeit, um Perspektivwechsel zu fördern, die Klassen- und Schulgemeinschaft zu stärken und Selbstempathie zu entwickeln. Empathy Maps machen sichtbar, was oft unsichtbar bleibt. Sie laden dazu ein, nicht vorschnell zu urteilen, sondern mit mehr Verständnis zu reagieren. Mit etwas Mut, einem sicheren Rahmen und einer mitfühlenden Haltung werden sie zu einem kraftvollen Tool für eine beziehungsstarke Schule.
6 Downloadvorlagen
Diese Empathy Map kannst du als CheckIn verwenden entweder zur Selbstreflexion oder auch zum Austausch im Partnerarbeit. Auch für selbstreguliertes Lernen bietet sie einen guten Startpunkt - gemeinsam mit Fragen nach dem eigenen Lernziel und den konkreten Strategien und nächsten Schritten können sie helfen, das Lernen aufbauend auf den eigenen Ressourcen zu planen, bevor der eigentliche Lernprozess startet.
Diese Empathy Map eignet sich eher für jüngere Schüler:innen und kann prima als Vorlage für einen Empathy Tree verwendet werden. Falls du keine festen Klassenräume hast, kannst du den Baum natürlich auch digital auf einer Lernplattform einbetten.
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